Kommunale Schulentwicklungsplanung als Motor für mehr Zusammenarbeit in der Bildungsplanung
In Würzburg gelang es durch ein breit angelegtes Dialogverfahren verschiedene Zielgruppen und Expertinnen und Experten einzubeziehen und deren unterschiedliche Perspektiven und Interessen im Planungsprozess zu berücksichtigen.
Der partizipative Schulentwicklungsprozess (SEP) in Würzburg
Bei der Entwicklung von Plänen und Strategien folgt die Stadt Würzburg schon seit vielen Jahren dem Grundsatz der Partizipation. Sowohl die Verwaltung als auch die Bürgerinnen und Bürger wissen inzwischen um die Bedeutung echter Partizipation und so erfreuen sich Beteiligungsprozesse großer Beliebtheit.
Als der Fachbereich Schule 2011 vom Stadtrat den Auftrag erhielt, erstmalig langfristige Perspektiven zur Würzburger Schullandschaft zu erarbeiten, war schnell klar, dass dies nur unter enger Beteiligung der Zielgruppen, insbesondere der Schulen, Eltern und vor allem der Schülerinnen und Schüler erfolgen sollte – um nicht an deren Bedarfen vorbei, sondern mit ihnen zu planen. Und so wurde aus dem Auftrag zur Schulraumbedarfsplanung der Prozess der partizipativen kommunalen Schulentwicklungsplanung, in dem sich die Stadt Würzburg als aktive und gestaltende Bildungspartnerin versteht.
Der Prozess
Kernelemente des systematischen Prozessablaufs (2012 bis 2017) waren:
- Die Schaffung einer Gremienstruktur zur Einbindung von Expertinnen und Experten
- Die Beteiligung möglichst vieler Interessensgruppen über Befragungen
- Breite Partizipation der Bevölkerung durch verschiedene Beteiligungsformate
Gremienstruktur: Transparenz schaffen, Mitstreiterinnen und Mitstreiter finden
Lenkungsgruppe
Um größtmögliche Transparenz zu erreichen und bedarfsgerecht arbeiten zu können, wurden maßgebliche Fragestellungen, Projektschritte und die methodische Vorgehensweise in einer interdisziplinär zusammengesetzten Lenkungsgruppe diskutiert und konkretisiert.
Die Lenkungsgruppe setzte sich wie folgt zusammen:
- Vertreter/-innen der bildungsrelevanten Fachstellen der Stadtverwaltung: Fachbereich Schule, Sozialreferat, Fachabteilung Statistik
- Vertreter/-innen der Schulaufsichtsbehörden: Staatliches Schulamt, Ministerialbeauftragte für Realschulen, Gymnasien und berufliche Schulen
- Vertreter/-innen der Kammern und der Agentur für Arbeit
- Schulleiter/-innen aller Schularten, Elternvertreter/-innen sowie Schüler/-innen
Das Gremium kam zu über zehn Sitzungen zusammen, um den Strategieprozess beratend zu begleiten und die Entwicklung von Handlungsempfehlungen mit seiner fachlichen Expertise voranzubringen. Die Ergebnisse aus der Lenkungsgruppe wurden anlassbezogen in den politischen Ausschüssen präsentiert.
Bildungsbeirat
Bereits während des Prozesses des SEP konnte eine wichtige Empfehlung, nämlich die Etablierung eines Bildungsbeirats für die Stadt Würzburg, realisiert werden. Das normative Gremium baut auf den Mitgliedern der Lenkungsgruppe auf und wurde gezielt durch Vertreterinnen und Vertreter aus der lokalen Bildungslandschaft sowie Mitgliedern des Stadtrats erweitert. So ist es nun möglich, die gesamte Bildungskette abzudecken, Planungen breiter zu diskutieren sowie die Vorschläge und Maßnahmen des Gremiums direkt in die politischen Ausschüsse zu transportieren.
Schüler/-innen – Expert/-innen in eigener Sache
Nicht nur über Schüler/-innen, sondern mit ihnen sprechen und bestenfalls gemeinsam in eigener Sache planen - durch die Etablierung des Würzburger-Schüler*innen-Tages (WÜST) im Rahmen des SEP konnte diese Idee Wirklichkeit werden.
Neben der Möglichkeit für die Schüler/-innen, sich schulartenübergreifend untereinander zu vernetzen und ihre schulrelevanten Themen (z.B. SMV Arbeit, Umweltschutz an den Schulen, Schule ohne Rassismus) in einen kommunalpolitischen Zusammenhang zu stellen, dient der WÜST auch immer als eine Art Realitätscheck für die Planungen der Stadtverwaltung.
Befragungen: Partizipation von Interessensgruppen
Mit Hilfe von Befragungen wurde Partizipation auf einer weiteren Ebene ermöglicht:
Befragungen der Schulleitungen
Um Planungsziele zur zukünftigen Weiterentwicklung der Schullandschaft Würzburgs formulieren zu können, waren insbesondere Impulse aus der Praxis unerlässlich. Zusammen mit der Lenkungsgruppe wurden Fragebögen zu schulrelevanten Themenfeldern entwickelt und Schulleitungen zu qualitativen Aspekten der Würzburger Schullandschaft befragt. Das Ergebnis sind die "Schulportraits", die der Fachbereich Schule für alle Schulen in städtischer Sachaufwandsträgerschaft erstellte. Auch heute ist dieses umfangreiche Nachschlagewerk in der ein oder anderen Stadtrats- oder Ausschusssitzung im Einsatz.
Befragung der Würzburger Eltern
Der umfangreichste Fragebogen richtete sich an Eltern von Würzburger Vorschülerinnen und Vorschülern sowie an Eltern von Schülerinnen und Schülern der 1., der 3. und 5. Jahrgangsstufe. Der enorme Rücklauf von 66 Prozent (n=2617) machte nicht nur das große Interesse der Eltern deutlich, sondern ermöglichte auch eine verlässliche Datenbasis. So konnte man der Herausforderung gerecht werden, die lebensweltlichen Realitäten, die Versorgungskonstellationen und Bedürfnisse ausreichend zu erfassen und in der Konzeptentwicklung zu berücksichtigen.
Beteiligungsformate: Partizipation der Bevölkerung
Beteiligungsformate sind in Würzburg fester Bestandteil kommunaler Planungsprozesse und sehr beliebt. So waren auch in der Bürgerwerkstatt SEP rund 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum "Nachsitzen" bereit. Zahlreiche Schulleiter/-innen, Lehrer/-innen, Elternvertreter/-innen sowie weitere Würzburger Bildungsakteure nutzten das offene Angebot zum gemeinsamen Weiterdenken und gaben der Stadt Würzburg wichtige Anregungen mit auf den Weg.
Fortgeführt wurde der Planungsprozess mit einem Informationsforum, bei dem Ergebnisse aus den Erhebungen zur Demografie, die "Schulportraits" der Würzburger Schulen und der Themenkomplex der "nachmittäglichen Bildungs- und Betreuungssituation" aus der Elternbefragung präsentiert wurden.
Ergebnisse aus beiden Formaten flossen in die Erstellung von insgesamt 77 Handlungsempfehlungen in die SEP ein und werden nun schrittweise umgesetzt.
Rückblickend auf einen langen und intensiven partizipativen Schulentwicklungsprozess kann man heute feststellen, dass die Entscheidung, neue Wege für Würzburg zu gehen und kommunale Schulentwicklung in breiteren Facetten als "nur" der baulichen Entwicklung zu sehen, sehr mutig war. Dies ermöglicht es jetzt aber auch, dass die zukünftige Bildungsarbeit in Würzburg nun auf ein stabiles Fundament aus Vernetzung, Kooperation und etablierten Gremien aufbauen kann.
Auf einen Blick:
- Eine gute Bildungslandschaft bedeutet Vernetzung, Kooperation und Abstimmung aller an Bildung beteiligten Personen, Bereiche und Angebote.
- So verhält es sich auch mit der kommunalen Schulentwicklungsplanung – sie betrifft alle Bürgerinnen und Bürger einer Stadt.
- Durch die Einbeziehung verschiedener Zielgruppen und Expertinnen und Experten konnte in Würzburg ein breit angelegtes Dialogverfahren initiiert und unterschiedliche Perspektiven und Interessen in den Planungsprozess einbezogen werden.
- Die Qualität der Entscheidungen konnte so erhöht werden.
- In diesem Prozess versteht sich die Stadt Würzburg als aktive und gestaltende Bildungspartnerin.
- Die Arbeit in den etablierten Gremien (Strategiegruppe / Lenkungsgruppe / Bildungsbeirat und dem Würzburger Schüler*innen-Tag) wird bis heute durch das Bildungsbüro fortgesetzt.
- Die Bewerbung um die Bundesförderung "Bildung integriert" und die damit verbundene Gründung des Bildungsbüros resultieren aus der Arbeit.
Fotos: Stadt Würzburg
Text: Bildungsbüro der Stadt Würzburg